Nur ein Gott macht den Job

TAZ,1.06.2006,
von Brigitte Werneburg

Frech-einfallsreicher Crossover von Dokumentarfilm, Konzeptkunst und Sozialarbeit:
In der Brotfabrik startet heute Robert Bramkamps „Der Bootgott vom Seesportclub“

Als Gott hat man in diesem Land keine Chance. Als Gott ist man zur Langzeitarbeitslosigkeit verdammt. Und da müssen jetzt die Frommen christlichen, jüdischen oder moslemischen Glaubens erst gar nicht zustimmend nicken. Dass sich ihr Gott schon einmal als ABM-Kraft beworben hätte, davon wurde bislang nicht berichtet. Enki dagegen, der 5.000 Jahre alte sumerische Kulturbringer aus dem Zweistromland, hat es versucht – und ist gescheitert.
Jetzt ist er eben wieder freischaffender Künstler, was er wahrscheinlich die längste Zeit über war. Ob er wenigstens als Ich-AG anerkannt wurde, darüber sagt er nichts in Robert Bramkamps Dokumentarfilm über den Seesportclub Wendisch-Rietz. Bei dem nämlich war Enki einen Sommer lang tätig. Der Film endet damit, dass Enki die Sachbearbeiterin der Agentur für Arbeit davon zu überzeugen versucht, ihm, wenn schon nicht als Gott, dann wenigstens als Schauspieler die Anstellung als ABM-Kraft zu verlängern. So könne er sich gleichzeitig um die von der Stellendefinition erlaubten kulturellen Aufgaben kümmern und in die Rolle des Hausmeisters schlüpfen, also Arbeiten erledigen, die den Leuten vom Seesportclub unter den Nägeln brennen.
Auf der einen Seite die richtigen Arbeitsplätze, die dem Staat Steuern und Sozialleistungen einbringen, auf der anderen die ehrenamtlichen Tätigkeiten, die den Arbeitsmarkt nicht tangieren – diese sozialpolitisch brisante Fiktion hat Robert Bramkamp in eine ästhetische Fiktion übersetzt: Er hat den Fulltimejob dazwischen, den es natürlich gibt – eben beim Seesportclub Wendisch-Rietz, der ihn sich nicht leisten kann -, einfach als eine göttliche Angelegenheit definiert. Dieser brillante Schachzug macht seine Dokumentation zu einem großartigen Film; frech in politischer und extrem einfallsreich in visueller Hinsicht.
Enki, der sumerische Gott und ganz gewöhnliche deutsche ABMler ist also am Scharmützelsee gelandet, freilich nicht im schicken Bad Saarow, sondern an seinem unschicken Ende. Dort nun will er die mythischen Me unter die Leute bringen – 100 Stück davon, und jedes befähigt zu einer besonderen Handlung. Me 33 etwa lässt die richtige Farbe für den Hausanstrich finden. Jedes Me bekommt ein gelbes Zahlenschild und seinen Ort; so kann sich Bramkamp den Facetten des Clublebens und der Clubarbeit strikt dokumentarisch nähern, gleichzeitig aber auch langsam die ganze Landschaft beschriften und durchnummerieren: Gewöhnliche Arbeiten werden als Performances inszeniert, und der profane Filmbericht biegt sich in einen Comic um. Postkartenbilder vom See beim Sonnenuntergang werden zur schrillen Konzeptkunst.

Und auch damit testet Robert Bramkamp die Grenzen des Dokumentarfilms aus: Enki ist wirklich eine Rolle. Der Schauspieler Steffen „Schortie“ Scheumann riskiert in ihr einiges. Denn er muss die Laien bei ihren Auftritten stützen, die Leute aus dem Club, vom See und der näheren Umgebung, die sich von Enki und seinem göttlich-prophetischen Gehabe nicht irritieren lassen sollen. Das klappt nicht immer und manchmal gerät auch Steffen Scheumanns Spiel in Mitleidenschaft. Gerade das aber bringt den dokumentarischen Aspekt des Films wieder ins Spiel: Die Frage nach Erhalt und Ausbau des Soziotops Seesportclub. Die treibt im Internet auch www.enki100.net, das dazugehörige künstlerisch-aktivistische Netzwerkprojekt, weiter voran.

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Erscheinungsdatum 1.6.2006, S. 27, 120 Z.