”Film als Chance, mehrere Wege zu gehen”

Westfälische Nachrichten, 08.08.1995,
by -wd-

Die Kritik sieht ihn schon in der Nähe von Alexander Kluge, er kritisiert Menschen, die , stets Romanhelden ihres eigenen Lebens sein wollen  und damit den Berufsstand der Therapeuten zu höheren Einkommen und sehr tiefen Einsichten verholfen haben. Der Filmemacher Robert Bramkamp, 1961 in Münster geboren, stellte gestern seinen ersten langen Spielfilm Die Eroberung der Miitte  vor. Bramkamp, der an der Westfälischen Wilhelms-Universität Germanistik und an der Kunstakademie bei Lutz Mommartz Film studierte, war langjähriger Mitarbeiter bei der Filmwerkstatt, organisierte das Kurzfilmfestival der Filmzwerge  und zog schließlich 1990 nach Hamburg. wo er mit dcn Vorbereitungen für seinen Erstling begann.

Film – das ist für Bramkamp mehr als nur Beziehungskomödie und WG-Atmosphäre mit schnellen psychologischen Lösungen. wie sie im Moment bei bewegten Männern  und Frauen in Affären  zu beobachten sind. Film, so Bramkamp sei Montage von Gedanken , das Kino sei eine Art zu denken, zu sprechen, seinen Rhythmus zu finden . Er habe für seinen Film keinen realen Aufhänger gesucht und wolle die Figur des Therapeuten Stroemer keinem derzeit kursierenden Namen zuordnen. ,,Ich sehe auch keine ldentifikationsfigur darin, auch keine richtige Negativ-Figur, sonst könnten wir ja nur alle Stroemers der Psychotherapie und Esoterik ausschalten und meinen, alles wäre wieder in Ordnung… , verweist er auf den offenen und vieldeutigen Charakter seines Films.

Der Film startet mit zehn Kopien in Deutschland: Das ist wenig, aber dennoch hofft Bramkamp ,,daß er durch fast alle großen Städte wandert . Solange wolle er auch noch für den Film werben, bevor er ,,für ein Jahr nach Amerika geht, um zu sehen, wie die dort arbeiten, obgleich die mich dort nicht erwarten . Für Bramkamp ist Kino Erzählung, Brechung, die Chance, mehrere Wege zu gehen, um ans Ziel zu kommen . Diese Wege sucht er und findet sie in der Symbolik und in der Entlarvungstechnik, die dem Medium zueigen ist.

So konnten wir Minister Volker Rühe austricksen, als wir die Gedanken zum Thema Normalität verdichten wollten . Rühes Ausführungen zur Verantwortung der Bundeswehr bei kriegerischen Einsätzen ( wir müssen erwachsen werden, den Weg zur Normalität suchen ) korrespondierten mit der Aussage des Films, stets durch Therapie den Weg zurück in die Normalität zu finden. Der Mann weiß sein Medium zu nutzen.

-wd-

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